Workshop 8: Römer*innen (!) für Aliso

26.04.2019 Josef Mühlenbrock

Das Experiment aus Sicht einer "Römerin"

Als Römerin im Tross einer Legion eine passende Rolle zu finden, ist gar nicht so einfach – gibt es doch nur wenige dokumentierte Informationen darüber, was genau der weibliche Part innerhalb (oder besser gesagt: außerhalb) des Lagers war. Gesichert ist, dass es Frauen und Kinder im Tross der Legion XIX gab, und da sie vermutlich nicht den ganzen Tag dekorativ in der Gegend herumgesessen haben, wird es auch Aufgabenbereiche für sie gegeben haben: Handwerk, Handel, Erziehung, Ausschank, Prostitution… Vieles ist denkbar. Für meine Römerinnenrolle habe ich mir folgenden Werdegang überlegt, der nach Aussage unsrer Mentor*innen (vielen Dank an dieser Stelle – das kann ich nicht oft genug wiederholen!) so oder so ähnlich durchaus denkbar gewesen wäre:

Ich, Iulia L.f. Colona, ziehe schon länger als inoffizielle Legionärsgattin im Tross der XIX. mit und habe dabei einen Sohn großgezogen. Dieser wurde inzwischen rekrutiert und dient nun ebenfalls in der Legion. Leider ist mein Mann vor einiger Zeit umgekommen, so dass ich mich als Witwe ohne weitere Mutterpflichten neu orientieren muss. Da in der Legion der Bedarf an Lederwaren groß ist und die Männer nicht immer Zeit haben, diese selbst herzustellen, könnte der Verkauf von Lederarbeiten ein neues Standbein für mich werden.

Außerdem habe ich Gefallen am Brettchenweben gefunden, und ich kann mit vorstellen, dass die Frauen im Tross und vielleicht auch in der Umgebung des Lagers den bunt gewebten Bändern etwas abgewinnen können. Aber ich muss noch vieles ausprobieren und lernen. Und wer weiß, vielleicht finde ich ja unter den Legionären auch irgendwann einen neuen Partner? Demnächst steht wieder eine größere Musterung statt – da lohnt es sich bestimmt, die Augen aufzuhalten…

Unter den 23 Teilnehmern am Workshop nehmen Sigrid (alias Claudia T.f. Lepida) und ich immer eine Sonderrolle ein, unterscheiden sich doch fast alle unserer Requisiten deutlich von denen der zukünftigen Legionäre.  Lediglich der direkt im ersten Workshop fertig gestellte, schmale Ledergürtel zum Gürten der Tunika ist für die Männer und Frauen in unserer Truppe gleich. Unsere übrige Ausstattung weist folgende Besonderheiten auf:Die Untertunika aus Leinen ist viel länger als die der Soldaten und hat zudem lange Ärmel.

Unsere wollene Obertunika ist ebenfalls viel länger und als Schlauch geschnitten. Sie wird mit Fibeln über den Schultern befestigt und bekommt optional eine bunte Webborte.

Wir Frauen tragen keine Soldatenstiefel, sondern so genannte Carbatinae – das sind einfachere Ledersandalen, die üblicherweise noch nicht einmal eine Laufsohle haben. (Wir haben uns allerdings der Stabilität halber und weil wir das Erlebnis „Sohlen vernähen und benageln“ teilen wollten, für besohlte Carbatinae entschieden.

Und damit sind wir auch beim inhaltlichen Schwerpunkt dieses Wochenendes angelangt: Die Weiterarbeit an den Caligae (Männer) und den Carbatinae (Frauen) stand auf dem Programm und wurde von Wolfgang und Hans wieder tatkräftig, kompetent und geduldig angeleitet:

Oberleder vernähen, Sohlen verkleben, Sohlennähte vorstechen, Sohlen mit dem Oberleder vernähen, Nagelmuster für die Sohlen auswählen und anzeichnen, Sohlen benageln – FERTIG  Klingt einfach? Ist es aber nicht! Jeder einzelne Arbeitsschritt birgt so seine Tücken und kann zukünftige Legionäre und die Frauen im Tross an den Rande der Verzweiflung bringen. 
Mit viel Geduld, Kraft (die brauchten vor allem unsere „Jungs“ beim Durchstecken der beiden dicken Ledersohlen vor dem Vernähen), Schweiß und Blutzoll kamen wir aber alle ein großes Stück voran. Und einige von uns wurden sogar fast fertig (kleinere Restarbeiten wie das Einkleben der Brandsohlen oder das Fetten des Leders sind noch zu erledigen, aber das sind nun wirklich Kichererbsen – Peanuts kannten die Römer nicht!):

Dafür kann man schon mal zwei Tage Muskelkater in den Armen und Blasen an den Händen ertragen.

Eva (alias Iulia), 44 Jahre, aus Haltern am See