Workshop 1: Tunika nähen

15.12.2018 Josef Mühlenbrock

„Aliso braucht dich!“ So stand es vor ein paar Wochen in der Zeitung, natürlich mit dem Bild eines Legionärs. Ich war verblüfft, ist denn schon Karneval?

 

Der Artikel machte mich, Ralf, 59 Jahre alt und aus Dülmen, neugierig und schnell ist eine Mail mit der Brieftaube an das LWL-Römermuseum in Haltern geschickt worden. Schon ein paar Tage später kam die Antwort und zur Überraschung des Museums hatten sich über 50 Interessenten gemeldet. Die Brieftauben per Mail hatten viel zu tun. Weil Aliso die Auswahl hatte, wurde ein Bewerbungsschreiben verfasst, womit sich jeder Interessierte auseinander setzen durfte. Und dann die erlösende Botschaft, ich bin dabei.

Am 15.12.2018 war es dann soweit. Auf dem Weg nach Haltern purzelten mir die Fragen nur so durch den Kopf. Wer macht da mit, kenne ich jemanden, was haben die vor? Schaffe ich das, was gefordert wird? Meine Spannung wuchs enorm.

Begrüßt wurde ich vom Museumsleiter, Dr. Josef Mühlenbrock und von Barbara Mönninghoff, die schon seit einigen Jahren in der I. Roemercohorte Opladen tätig ist. Sie ist die Dozentin für den ersten Workshop. Die erste Hürde war genommen. So nach und nach trafen die zukünftigen Römer für Aliso ein.

Aliso braucht zwar Legionäre, also Männer, aber auch Frauen sind beim Programm willkommen, so waren beim ersten Workshop auch in der Tat zwei Frauen dabei (Sigrid und Eva), die das Aliso-Legionärsteam als zukünftige Römerinnen unterstützen werden.

Die Gruppe ist bunt gemischt, die Altersspanne reicht von 18 bis 62 Jahren. Praktiker wie Theoretiker und alle sind neugierig, auf das, was auf uns zukommt.

Nach einer ausführlichen Vorstellungsrunde, die, wie ich fand, hochinteressant war, gab es einen Einstieg von Josef Mühlenbrock. Er umriss kurz das angedachte Programm „Römer für Aliso“ und legte dar, in welche Richtung das ganze gehen soll.

Living History, Reenactment & Co.

Das Spektrum der Darstellung historischer Lebenswelten in musealem Kontext reicht von Living History und experimenteller Archäologie bis zu Reenactment und Live Action Role Play (LARP).

Ich war erleichtert, dass sich „Römer für Aliso“ der experimentellen Archäologie und Living History („Gelebte Geschichte“) verpflichtet fühlt, also dem Versuch, durch Personen, Kleidung, Ausrüstung und Gebrauchsgegenstände in Material und Machart möglichst realistisch der Zeit des Imperium Romanum zur Zeit des Kaisers Augustus nahezukommen. Das Programm soll das Ziel haben, die dargestellten Inhalte möglichst authentisch zu vermitteln und durch Ausprobieren und Erproben archäologische Fragestellungen mit Hilfe dokumentierter Experimente zu beantworten.

Dabei soll es nicht um das Nachstellen konkreter geschichtlicher Ereignisse gehen, wie das Nachstellen von Schlachten und ähnlichem.

Dann prasselten die Infos nur so auf mich ein. Über römische Handwerker, Maultiere, die in der Varusschlacht untergegangenen Legionen 17-19, Kohorten und Augustus bis zu einem in Haltern gefundenen Bleibarren, der die Anwesenheit der Legio XIX im römischen Hauptlager von Haltern nahelegt. Der ein oder andere kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Aber bevor die Theorie zu viel wurde, übernahm Barbara Mönninghoff das Zepter.

Barbara Mönninghoff erläutert, welche Materialien die Römer für die Textilherstellung genutzt haben

Auf unserem heutigen Programm stand das Nähen einer Tunika. Wir gruppierten uns um die Tische und sahen Wolle, Flachs, Leinen, Spindel und jeden Menge Nadeln und Faden. 

Baumwolle, gesponnene Wolle und unverarbeitete Flachsfasern

Nun habe ich etwas von rechts und links gedrehter Wolle gehört, von einem Brett zum Auskämmen von Rohwolle mit Nadeln vom Schwarzdorn oder auch dem Balg eines Igels (leider hatte Barbara keinen mit). Ich hatte Flachsfasern in der Hand und den Kokon einer Seidenraupe. Verblüfft war ich, dass es auch Muschelseide, also Seide aus dem Sekret von Muscheln gab. 

Dann gab es eine kleine Kostümprobe, das heißt wir probierten verschiedene, von Barbara Mönninghoff gefertigte römische Kleidungsstücke an.

Die Nachwuchs-Römer probieren verschiedene Mäntel und Gewänder an: Umhang ohne Kapuze (Sagum), keltisch beeinflusstes Frauengewand, Ärmeltunika, Rechteck-Tunika, Schulterumhang mit Kapuze (Cucullus) und Kapuzenumhang (Paenula)

Richtig los ging es dann, als wir dann ein Stück Leinen, Nadel und Faden in den Händen hatten und anhand von Vorlagen historisch überlieferter Stiche, tapfer wie das Schneiderlein, die ersten eigenen Stiche probierten.

Viele der Sticharten sind uns heute noch vertraut, wie Schnurstich, Stielstich, Ketten- und Rückstich. Kaum waren die ersten Nähminuten um, gab es die ersten Verletzungen. Nicht mit Schwert und Speer, nein mit Näh- und Stecknadeln.

Und irgendwann stiegen wir um auf ein größeres Stück Leinen: unsere zukünftige Untertunika. Altes Leinen, zum Teil über 100 Jahre alt, in das beim Verarbeiten durchaus einige Tropfen zukünftigen Legionärsblutes hineintropften.

Über 20 Personen saßen versunken an ihren Tunikas, es hatte schon was meditatives. Abschließend war es für mich ein toller Tag. Ich bin dankbar, so nette Menschen ein wenig kennen gelernt zu haben und freue mich auf ein weiteres in Aliso.

Ralf K., 59 Jahre, aus Dülmen

Kategorie: Römer für Aliso

Schlagworte: Römer für Aliso · nähen · Tunika